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Geschichte der Elektrischen Industrie in Weiz – Die Anfänge 1892 - 1900 ⇒
<p><strong>Entwicklung der Elektrotechnik</strong><br /><br />Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die bis dahin noch weitgehend „geheimnisvolle“ Kraft „Elektrizität“ durch bahnbrechende Erfindungen dem Menschen dienstbar gemacht. <br /><br />Die Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips und der Bau der ersten Dynamomaschine durch Werner von Siemens im Jahre 1897, die Erfindung der elektrischen Glühlampe durch Heinrich Göbel im Jahr 1854 bzw. die erste Anwendung dieser Erfindung durch Thomas Alva Edision im 1879 waren Meilensteine in dieser Entwicklung. Durch die Pariser Weltausstellung 1881 wurde das Interesse der Öffentlichkeit an den großen Erneuerungen erregt. <br /><br />Weitere einschlägige Erfindungen dieser Zeit, wie zum Beispiel der Transformator von Miksa Déri und Károly Zipernowsky <br />im Jahre 1884 und der Drehstromtransformator von Michail Doliwo Dobrowolski im Jahr 1889 trieben die Entwicklung der Elektrotechnik und der Elektroindustrie weiter voran.<br /><br /><strong>Franz Pichler</strong><br /><br />Franz Pichler wurde als Sohn des Mühlenbesitzers Johann Pichler, vulgo Kapfensteiner, und dessen Frau Theresia am 18. Februar 1866 in Weiz geboren.</p>
<p><br />Die außerordentliche technische Begabung des Buben fiel bereits früh auf. Nach Beendigung der Realschule durfte er – nicht zuletzt auf Betreiben seiner Lehrer – die Oberrealschule besuchen, und schließlich seine berufliche Ausbildung an der technischen Hochschule Graz (1884 – 1889) fortsetzen. Dort erwarb er bei Prof. Albert von Ettingshausen Kenntnisse der physikalischen Grundgesetze der Elektrizität und des Magnetismus. <br /><br />Während des Studiums bewies Franz Pichler bereits sein technisches und praktisches Talent, indem er die väterliche Mühle zu einer modernen Handelsmühle umbaute. In seinen Ferien besuchte er die Dampfmühlen in Budapest, welche durch die 1872 erfundenen Walzenstühle um einiges leistungsfähiger waren als die alten, auch im väterlichen Betrieb eingesetzten Steinmühlen. Nach der Studienreise wurde der Umbau sofort in Angriff genommen. <br /><br /><strong>Erstes Kraftwerk</strong><br /><br />Da die Kraft des Mühlbaches allein schließlich nicht mehr ausreichte, begann Franz Pichler ein Kraftwerk oberhalb der von den Mosdorfer’schen Hammerwerken ausgenutzten Gefällstufe des Weizbaches zu planen. <br /><br />Für die Kraftübertragung konstruierte Franz Pichler den längsten Drahtseilantrieb der Monarchie. Im Herbst 1886 gingen Kraftanlage (später Zentrale II) und Mühle in Betrieb. Das 4 m breite und 4 m Durchmesser große Wasserrad der Zentrale II sollte bis 1954 verlässlich seinen Dienst tun.<br /><br />Von nun an ließ Franz Pichler die Elektrizität nicht mehr los und es wurde sein großer Traum, die elektrische Beleuchtung für die elterliche Mühle und für den ganzen Markt Weiz einzuführen. Nachdem er sein Studium erfolgreich abgeschlossen und seinen Militärdienst beim k.k. Landwehr-Infanterieregiment Nr. 4 in Graz beendet hatte, konnte er diesen Plan weiter verfolgen.</p>
Elektrisches Licht für Weiz ⇒
<p><strong>1890</strong> begann Franz Pichler mit der Planung eines Kraftwerkes, das elektrisches Licht im gesamten Markt Weiz ermöglichen sollte. <br /><br /><strong>1891</strong> suchte Pichler bei der Statthalterei um Genehmigung eines wasserbetriebenen Elektrizitätswerkes für Beleuchtungszwecke an, erhielt jedoch einen abschlägigen Bescheid, da sowohl die Pläne dafür nicht eingereicht waren, als auch sein Abschluss in Maschinenbau nicht ausreiche. Die fachliche Befähigung stand für seine Mentoren außer Zweifel wurde sofort nachgereicht. Nach Kommissionierung und Zustimmung des Handelsministeriums sowie einem strengen Winter stand dem Bau nichts mehr im Wege. Als Standort erschien Franz Pichler die Gefällstufe bei der Ruine Sturmberg für das zukünftige Pichler’sche E-Werk geeignet.<br /><br />Das Kraftwerk war ursprünglich für Gleichstrom ausgelegt. Zu dieser Zeit brachte die Übertragung elektrischer Energie über weite Strecken jedoch noch große Schwierigkeiten mit sich, da der Übertragungsverlust durch die allgemein noch vorherrschende Gleichstromtechnik zu hoch war. <br /><br />Der junge Maschinenbauer erkannte, dass nur hochgespannter Wechselstrom für Überlandleitungen in Betracht kam. Durch den Besuch der Frankfurter Elektroausstellung 1891, bei der Strom mittels einer 100 Kilometer langen Drehstrom-Hochspannungsleitung von einem Kraftwerk geliefert wurde, fand Pichler die Lösung seiner Probleme, Energie auf weiten Strecken zu transportieren.<br /><br />Franz Pichler beschloss, seine Anlage nach dem Mehrphasensystem zu konstruieren, wobei die Turbine von der Firma Ganz & Co in Budapest kam, die Gussteile der Maschinen von der Maschinenfabrik Anton Schlacher in Preding geliefert und der Generator sowie die Erregermaschine von Pichler selbst berechnet wurden.<br /><br />Am 19. Mai <strong>1892</strong> wurde das E-Werk erstmals provisorisch in Betrieb genommen und war damit das erste Mehrphasenwerk der österreichisch-ungarischen Monarchie. Seine Leistung betrug 80 kW, die Hochspannung war verketteter Zweiphasenstrom von 2 x 2000 Volt. <br /><br />An diesem Abend wurde nicht nur die väterliche Mühle elektrisch erhellt, auch zwei Bogenlampen erstrahlten im Markt – die erste öffentliche Beleuchtung in Weiz und der Beginn der öffentlichen Stromversorgung in der Region. Dieser Tag, an dem das Haus Pichler erstmals im Schein der elektrischen Lampen erstrahlte, war für den jungen Techniker auch privat von großer Bedeutung, denn es fand die Hochzeit mit seiner Kusine Tina Mauerhofer statt.<br /><br />Am 3. Oktober <strong>1892</strong> wurde Franz Pichler unter der Nummer 13.688 die Konzession zur gewerbsmäßigen Erzeugung elektrischer Maschinen und zur Errichtung von Fremdanlagen erteilt – dies war die „Geburtsurkunde“ eines Unternehmens, das Weltruf erlangen sollte.</p>
<p>Elektrische Centralstation Franz Pichler, Weiz<br /><br />Bald bekam der junge Betrieb immer mehr Aufträge, und es wurde in der Birkfelder Straße 25 eine Werkstätte eingerichtet. <br /><br />Das Inventar der neuen Werkstätte bestand aus zwei kleinen Drehbänken, einer Nutenstanze, einer Shaping (Stoßmaschine zur Werkzeugherstellung), einer Bohrmaschine und einigen Schraubstöcken. Ein Zweiphasenmotor mit etwa 2 PS Leistung betrieb die Transmission. Die Werkstättenleitung übernahm der Uhrmachermeister Lang, wobei der Beschäftigungsstand damals zwischen 5 und 30 Arbeitern gelegen haben dürfte. Sie erzeugten Gleichstrommaschinen, Apparate sowie verschiedenes Installationsmaterial.<br /><br />In diesem expansiven Stadium der jungen Firma traten Schwierigkeiten in der Familie auf. Ein Verwandter verlangte sein Erbteil, da der „elektrische Franzl” das Vermögen der Familie durch dieses „verrückte Elektrounternehmen” aufs Spiel setzen würde. Die Familie musste also eine erhebliche Summe Bargeld auftreiben, was dem jungen Unternehmen mit schwacher Eigenkapitaldecke große Probleme bereitete. In dieser schwierigen Situation besuchte Ingenieur Cornel Masal aus Graz Franz Pichler in Weiz.<br /><br />Cornel Masal, der Pichler noch aus der Realschulzeit kannte, zeigte sich sehr beeindruckt vom Unternehmen und entschloss sich spontan, als Kompagnon und Mitarbeiter mit einer Summe von 30.000 Gulden in den Betrieb einzusteigen. Von nun an hieß das Unternehmen „Weizer Elektrizitätswerke Franz Pichler & Co”, das Elektrizitätswerk mit seiner Stromlieferungseinrichtung blieb aber weiterhin Privateigentum Ingenieur Pichlers mit dem Firmennamen „Elektrische Centralstation Franz Pichler, Weiz”.<br /><br />Weizer Elektrizitätswerke Franz Pichler & Co<br /><br />Mit dem Eintritt Cornel Masals in die Firma entstand eine finanzielle Basis, die es erlaubte, eine neue Fabrikhalle mit einer Fläche von 350m² zu erbauen. <br /><br />Schon im Sommer 1897 war die Halle mit einer Länge von 20 Metern und einer Breite von 13 Metern soweit fertig, dass mit der Umsiedlung der Einrichtung aus der Birkfelder Straße begonnen werden konnte. <br /><br />Im vorderen Teil der Halle errichtete man einen Prüfstand, im durchgehenden 5 Meter breiten Mitteltrakt befanden sich die Kranbahn mit schweren Werkzeugmaschinen, die Großwickelei und die Maschinenmontage. Die beiden je 4 Meter breiten Seitentrakte waren zweigeschossig ausgeführt; in den oberen Etagen war die Werkstättenkanzlei, die Mechanikerei und die Wickelei untergebracht, darunter Werkzeugmaschinen, Schlosserei und Schmiede.<br /><br />Das Unternehmen fand bald über Graz und die Steiermark hinaus Abnehmer für seine Produkte. 1898 lieferte es zum Beispiel eine Drehstrom-Grubenlokomotive für die Bleiberger Bergwerksgesellschaft; darüber hinaus übernahm es die Elektrifizierung von vielen Gemeinden.<br /><br />Der Konkurrenzkampf mit den damals schon großen Konzernen, wie etwa Siemens und AEG, denen als Aktiengesellschaften ausreichend Kapital zur Verfügung stand, wurde dennoch immer härter. Das Betriebskapital war nicht ausreichend, um größere Aufträge bis zur Fertigstellung vorzufinanzieren. <br /><br />Franz Pichler wandte sich hilfesuchend an die Weizer Bürger, die ja vom Bestand und dem Wachstum des Unternehmens am meisten profitierten; diese hatten jedoch kein Vertrauen in den neuen Industriezweig und lehnten ab.<br /><br />Ein Zufall führte Franz Pichler mit dem Präsidenten der Österreichischen Eisenbahn-Verkehrsanstalt Siegfried Landau zusammen. Diese Gesellschaft war eine Gründung des Wiener Bankvereins und betrieb ein Waggonleihgeschäft. Sie verwendete einen Teil ihrer Gewinne über ihr Tochterunternehmen, die „Gesellschaft für elektrische Industrie AG”, um elektrische Anlagen zu finanzieren. <br /><br />Am 1.1.1900 trat diese Gesellschaft – vorerst nur als stiller Teilhaber – in die „Weizer Elektrizitätswerke Franz Pichler & Co” ein und beteiligte sich mit der beträchtlichen Summe von 60.000 Kronen. In weiterer Folge entstand 1902 in Wien ein Verkaufsbüro, das die Keimzelle der weltumspannenden Organisation der „ELIN“ werden sollte.</p>