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Kachelfragment mit Lucretia-Bild ⇒
Ein interessantes Kachelfragment wurde 1960 als Streugut bei Ausgrabungen am zweiten nördlichen Zwingerturm von Burg Lichtenberg gefunden. Das aus rot-gelbem Ton gebrannte und unglasierte Fundstück (l= 10,5 cm, b = 6 cm) soll nach Ansicht der Experten des Historischen Museums in Speyer einem Kachelofen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts entstammen. Da die Kacheln der beiden ehemaligen großen Kamine von Ost- und Westpalas bekannt waren, wurde angenommen, dass das Fragment den Ofen in „des Herzogs Schlafkammer“ in der zweiten Etage des Ostpalas geziert habe oder aus dem Südpalas stamme. Das dargestellte, mythische Motiv der sich erdolchenden Lucretia – eine tugendhafte Figur der legendären römischen Frühzeit – war beliebt auf Kacheln und Takenplatten. Die Ehefrau des Tarquinius Collatinus beging Selbstmord, weil sie von dem Königssohn Sextus Tarquinius vergewaltigt wurde. Das führte zum Aufstand der Römer gegen dessen tyrannischen Vater und letzten römischen König Lucius Tarquinius Superbus. Dessen Vertreibung hatte zugleich den Beginn der Römischen Republik 509/510 vor Christus zur Folge. Die sagenhafte Geschichte inspirierte Literaten und Künstler von der Antike bis in die Moderne. (Text: J. Fickert)
Siegburger Steinzeug ⇒
In den 1960er und 1970er Jahren wurden durch den Heimatverein Burg Lichtenberg Ausgrabungs- und Sicherungsmaßnahmen im sogenannten „Gesprengten Turm“ durchgeführt. Hierbei wurden Becher-, Krug- und Kannenfragmente, aber auch Scherben gefunden, wobei es sich größtenteils um „Siegburger Steinzeug“ handelt.
Die Ware stammt, wie der Name schon sagt, aus der Stadt Siegburg, in der schon eine uralte Töpfertradition verwurzelt war. Der Handel war vor allem in der Hand von Kölner Kaufleuten, welche die begehrte Ware insbesondere vom 13. bis zum 17. Jahrhundert in ganz Europa vertrieben.
Bald wurden nicht mehr nur Waren für den täglichen Gebrauch produziert, sondern hochwertiges Steinzeug geschaffen.
Statt einfacher Waren schufen die Töpfer aufwändig geformte Gefäße mit prachtvollen Dekoren. In den Fürstenhäusern wurde das Siegburger Steinzeug zum begehrten Luxusobjekt, in der bürgerlichen Gesellschaft zum Statussymbol. Später zogen sie in die Museen ein: Siegburger Steinzeug ist heute in kulturhistorischen Sammlungen in ganz Europa zu finden. Wann die Gegenstände nun tatsächlich auf Burg Lichtenberg genutzt wurden, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Es ist aber zu vermuten, dass die Keramik hauptsächlich bei den „Herrschaften“ der Burg Verwendung fand, so dass eine Datierung um die Mitte des 15. Jahrhunderts zwar nicht belegt, jedoch anzunehmen ist. (Text: Andreas Rauch)
Spätmittelalterliches Kinderspielzeug: Pferdchen ⇒
Im Jahre 1961 wurde auf Burg Lichtenberg der zweite nördliche Zwingerturm, im Volksmund „Gesprengter Turm“ genannt, von Mitgliedern des „Heimat- und Verkehrsvereins Burg Lichtenberg“ ausgeräumt. Dabei kamen im Bauschutt dieses Rondells, das im oberen Teil als Schuttabladeplatz diente, zwei kleine dekorative Objekte aus grau-weißem Ton zum Vorschein. Zunächst nahm man an, dass es sich um dreibeinige Unterteile eines mittelalterlichen Öllichtes handele.
Die Funde wurden dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer vorgelegt und schließlich als spätmittelalterliches Kinderspielzeug aus der Zeit um 1400 gedeutet. Die Fragmente sollen die Vorderteile von Pferdchen mit Kopf, Brust und Vorderbeinen darstellen. Eines ist 7,4 cm hoch und unbemalt, das andere 6,8 cm hoch und mit braunen Streifen verziert. Die beiden Tierfiguren – echte Raritäten – sind heute wieder im Museum in der Zehntscheune zu bewundern. Der „Gesprengte Turm“ soll übrigens im Jahr 1677 während einer Besetzung der Burg eine formale, symbolische Sprengung durch den französischen General Bussy erlitten haben. (Text: J. Fickert)